Thursday, July 05, 2007

Post von Abu Mazen

Lieber Olmi,

sicher wunderst du dich über die etwas ungewöhnliche Art der Zustellung, aber solange die Post bei uns so gut funktioniert wie alles andere, dachte ich, ich bin mit der Brieftaube auf der sicheren Seite.

Du glaubst ja gar nicht, wie gut mir unser letztes Treffen in Sharm el-Sheik getan hat! Irgendwie habt ihr wirklich ein Händchen dafür, uns PLO-Leute immer dann in letzter Minute am Schnurrbart aus dem Sumpf zu ziehen, wenn wir so richtig tief drinstecken! Ach, da kommen wehmütige Erinnerungen an die frühen Neunziger auf. Mann, hatte uns Abu Ammar damals in die Scheiße geritten mit seiner Saddam-Hudelei! Wir wären bis ans Lebensende in Tunis versauert, hätte nicht plötzlich ein Engel Allahs in der Tür gestanden und gesagt: „Überraschung, Freunde: Shimon lädt euch nach Oslo ein!“

Wenn ich damals geahnt hätte, wie das hier laufen würde, wäre ich allerdings lieber für die nächsten zehn Jahre ins Koma gefallen, das kannst du mir glauben. Wir haben schwach angefangen und dann ganz stark nachgelassen. „Autonomie“ – was für eine Schnapsidee! Mit dem Gesindel hier ist kein Staat zu machen, soviel ist sicher. Am liebsten würde ich mir von Nicholas den Kärcher ausleihen.

Frust. Ehrlich, Ehud, mir geht´s gerade richtig dreckig. Gut, du stehst auch mächtig unter Druck, aber mir geht’s noch viel schlechter. Du weißt ja, niemand leidet so wie wir Palästinenser.

Danke übrigens für die Kohle, die du gerade freigeschaufelt hast – und für die 250 Gefangenen. Eigentlich wär´s mir lieber, ihr würdet die behalten, diese Typen bringen mich hier sowieso nur in Teufels Küche. Aber irgendein Goodie müsst ihr ja für mich haben, damit "die Straße" beruhigt ist. Gott, wie mir diese "Straße" zum Halse heraushängt! Ekelhaftes Pack! Aber ich werde den Freigelassenen einen triumphalen Empfang bereiten, keine Frage. Lässt uns beide besser aussehen. Was für ein Scheißspiel, Ehud, was für ein Scheißspiel.

Ich hab noch mal über die Siedlungen nachgedacht. Die an der Green Line will ich nicht haben, sonst ballern meine Leute am nächsten Tag in die Küstenebene rein, und dann ist die Kacke wieder am Dampfen. Muss nur mal sehen, wie ich das der abgefuckten Straße verkaufe. Meinetwegen gib mir das Dreieck als Kompensation. Die Brüder ziehen dann sicher dort weg, und wir kriegen ein paar hübsche Häuschen.

Dann: Jerusalem. Ich weiß, da sind wir alle empfindlich. Mir gehen meine Leute echt aufs Skrotum mit ihrem al-Quds. 19 Jahre sah es da aus wie bei Hempels unterm Sofa, aber kaum seid ihr in die Altstadt einmarschiert, entdeckten sie ihre Liebe zu al-Quds: „Oh, al-Quds, du Heilige, ohne dich geht’s nicht, al-Quds als Hauptstadt, al-Quds, al-Quds!“ Al-Kotz! An eurer Stelle würde ich mich höchstens auf Fifty-Fifty einlassen und die Altstadt tunlichst behalten, sonst könnt ihr euren Zugang zur Westmauer knicken. Denk an meine Worte.

Nächster Knackpunkt: das Rückkehrrecht. Du wirst verstehen, dass ich mir nicht ohne Not Millionen Fanatiker in die Westbank holen will – und für die dann auch noch Behausungen und Arbeitsplätze schaffen soll. Ich krieg’s ja nicht mal mit dem vorhandenen minderwertigen Material auf die Reihe. Andererseits, Ehud: Fünf Millionen Flüchtlinge will ich euch auch nicht zumuten, da ist der jüdische Charakter eures Staates schnell futsch und wir gehen alle gemeinsam den Bach runter. Vorschlag zur Güte: Ihr nehmt zweieinhalb Millionen, das zögert euren Untergang noch um zwei Jahrzehnte hinaus. Bis dahin bist du längst raus aus der Nummer. Und als Totengräber des jüdischen Staates hast du gute Chancen, dass sie eine Büste von dir im UN-Hauptquartier aufstellen.

Da wäre noch was, aber das bleibt unter uns, ja? Könnt ihr den Barghouti nicht überraschend in der Haft sterben lassen? Euer Ruf ist doch eh ruiniert, da kommt’s auf eine Sache mehr oder weniger nicht an. Ihr würdet mir damit eine Menge Ärger ersparen. Viel Hoffnung habe ich allerdings nicht, ihr Juden habt da doch ein paar Skrupel mehr als wir.

Jetzt habe ich aber noch eine Bitte, Olmi: Es geht um den Zaun, Quatsch: die Mauer. Die musst du öffnen, da führt kein Weg dran vorbei. Und bevor du mir jetzt mit dem Terror kommst: ja doch, weiß ich! Aber genau das ist der Punkt: Meine Leute sind total durch den Wind, weil ihnen seit einem Jahr kein einziger großer Anschlag mehr gelungen ist. Kein Wunder, dass sie sich in ihrem Frust schon gegenseitig an die Gurgel gehen. Die brauchen das, Ehud, die brauchen auch mal einen Erfolg! Die brauchen auch ihre Helden. Und hast du jemals von einem palästinensischen Wissenschaftler von Weltrang gehört? Einem grandiosen Schauspieler? Sportler? Popstar? Siehst du. Die letzte technische Innovation, die wir hier gefeiert haben, war der Sprengstoffgürtel. Und das ist schon Jahre her – wobei uns die Hisbollah da auch noch das Patent streitig macht.

Komm schon, Ehud: zwei, drei Anschläge mit, sagen wir, rund drei Dutzend Toten, dann gibt’s hier mal wieder Autokorso und Knafeh für alle. Und das haben wir hier auch bitter nötig, hier herrscht seit Jahren nur Tristesse. Du müsstest mal herkommen. Das Grauen in Tüten! Das letzte Mal, dass hier Partystimmung herrschte, war am 11. September 2001. Verdamp lang her, Ehud.

Die Anschlagsopfer wirst du schon rechtfertigen können. Sind schließlich Opfer für den Frieden, wie Yitzchak und Shimon damals nach den ersten Busbombenattentaten so schön gesagt haben. Und ein bisschen Schwund ist immer. Meine Leute brauchen auch mal ein Erfolgserlebnis, damit ich mit euch "auf Augenhöhe" verhandeln kann. Ätzend, ich weiß, aber du kennst die Spielregeln, Ehud. Ich bin auch gern bereit, mich auf CNN von meinem bewaffneten Arm zu distanzieren und Anschläge gegen Zivilisten auf beiden Seiten zu verurteilen. Mit Dackelblick!

Komm’ mir ein Stückchen entgegen, ich darf’s nicht, sonst bin ich ein toter Mann. Hilf mir, Ehud, sonst bin ich am Arsch!

Dein Mahmud

P.S.: Danke auch für das Sixpack Goldstar. Hat mir wirklich geholfen, gestern Abend.

3 Comments:

Anonymous Anonymous said...

"minderwertigen Material" ?

1:43 PM  
Anonymous Anonymous said...

Erst der Sack Reis, dann der Brief von Abu - Deine Satiren sind unschlagbar gut!

6:30 PM  
Anonymous Anonymous said...

Nicht so gut wie meine, die hier war ja noch schlechter als der Sack Reis ...

Lern vom Meister, lest bei mir!

12:12 AM  

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