Entebbe 2007
Es gab eine Zeit, in der es nicht als weise Zurückhaltung galt, dem internationalen Terrorismus mildes Verständnis entgegenzubringen. In der man Terroristen noch Terroristen nannte und nicht Militante oder Aktivisten. In der man sich nicht von Kidnappern erpressen ließ sondern sie jagte.
Letzte Nacht jährte sich die Befreiungsaktion von Entebbe zum 31. Mal. Viel hat sich seither verändert. Grund genug sich vorzustellen, wie die Medien heute reagieren würden, wenn die Operation Yonathan nicht 1976, sondern erst gestern Nacht gelaufen wäre.
Entebbe 2007 - eine internationale Presseschau
„Vorfälle wie der gestrige spielen nur den Hardlinern in die Hände, die ausschließlich auf die Macht der Faust setzen. Sicher, die israelische Regierung konnte die Entführung der Air-France-Maschine und die Geiselhaft ihrer Staatsbürger nicht tatenlos hinnehmen, aber mit der Entsendung eines Kommandos nach Uganda lief sie kopflos in die von der PFLP gestellte Falle. Gewalt und Gegengewalt – im Nahen Osten lernen die Konfliktparteien nicht dazu.“
(Thorsten Schmitz, Süddeutsche Zeitung)
Schweres israelisches Militärflugzeug in Entebbe: Verhältnismäßige Reaktion?
„Israelis töten sieben Palästinenser“
(ZDF-Videotext)
„Auge um Auge, Zahn um Zahn – mit brutaler Gewalt erzwang Israel die Befreiung der Passagiere. Und ging dabei buchstäblich über Leichen: drei Geiseln fanden den Tod. Die Verluste auf Seiten der Ugander und der Militanten betragen ein Vielfaches. Durch einen Gefangenenaustausch hätte das Blutvergießen verhindert werden können, aber der Regierung in Tel Aviv kam der Anlass gerade recht, um Stärke zu demonstrieren. Leidtragende sind nun auch die Republik Uganda und das Völkerrecht, das Israel durch den Einfall seines Kommandos mit Füßen trat.“
(taz)
Idi Amin (mit israelischem Fallschirmjägerabzeichen): Chancenlos gegen den Angriff der ehemaligen Freunde.
„Nun frohlockt das israelische Militär über den vermeintlichen Husarenstreich. Dabei sind sich Beobachter einig: Gegen die mit mehr als 100 Mann anstürmende Eliteeinheit der Invasoren hatte die vergleichsweise kleine Schar der Verteidiger des Terminals nicht den Hauch einer Chance.“
(stern)
„Gegen Mitternacht zerschlugen sich die letzten Hoffnungen auf ein unblutiges Ende des Geiseldramas. Einmal mehr siegte das alttestamentarische Racheprinzip über die Vernunft. Dabei hätte ein Einlenken Israels durch die Freilassung von einigen Dutzend Häftlingen und die Zahlung von 5 Millionen Dollar Lösegeld den Hardlinern in der PLO den Wind aus den Segeln genommen. Statt dessen wird die Vergeltung der militanten Palästinenser nur mehr eine Frage der Zeit sein. Die Gelegenheit zum Ausbruch aus dem Kreislauf der Gewalt ist mutwillig verspielt worden.“
(Frankfurter Rundschau)
Rückkehr der Geiseln nach Tel Aviv: Jubel mit fadem Beigeschmack in der israelischen Hauptstadt.
„Entebbe: Isrealische Spezialeinheit befreit 100 Passagiere aus Giselhaft.“
(N24-Laufband)
„Das unverantwortliche Verhalten der französischen Crew muss Konsequenzen haben. Michel Bacos und seine Kollegen haben die nichtjüdischen Passagiere schmählich im Stich gelassen.“
(Libération, Paris)
„Dennoch würde es zu weit führen, wenn man die von Herrn Böse initiierte Selektion der jüdischen von den nichtjüdischen Passagieren zum Anlass nähme, den Aktivisten der Revolutionären Zellen vorzuwerfen, sie seien die Kinder ihrer Eltern. Herr Böse, so unwahrscheinlich das auf den ersten Blick scheinen mag, meinte es gut. Auf diese Weise befreite der Deutsche mehr als hundert Passagiere aus einer sehr gefährlichen Situation. Sie dürften ihrem von den Israelis getöteten Retter zutiefst dankbar sein.“
(The Times, London)
„Zum zweiten Mal nach Sharons Überquerung des Suezkanals 1973 fielen israelische Truppen auf dem afrikanischen Kontinent ein. Der Judenstaat spielt mit dem Feuer – ohne Rücksicht auf den drohenden Flächenbrand. Der radikale Arm der Hamas-Partei, auf deren Bemühungen hin erst gestern der BBC-Journalist Alan Johnston nach monatelanger Geiselhaft freigelassen worden war, verkündete umgehend: „Die Pforten der Hölle haben sich geöffnet!“
(DER SPIEGEL)
„Die kaltblütige Tötung Wilfried Böses und Brigitte Kuhlmanns sowie ihrer palästinensischen Kampfgenossen ohne Gerichtsverfahren wirft ein bezeichnendes Licht auf den „Rechtsstaat Israel“, der sich soviel auf seinen Status als einzige Demokratie der Region zugute hält.“
(Neues Deutschland)
Bei dem Kommando-Angriff eingesetzter Mercedes: Perfide Taktik.
„Der israelische Militärschlag aus heiterem Himmel ist auch ein Schlag ins Gesicht all jener, die auf Deeskalation und eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts setzen.“
(WAZ)
„Die Operation der Armee in Entebbe war zweifellos ein Erfolg. Dennoch ist zu fragen, ob wir das Recht hatten, mit der Operation das Leben der 20 jüdischen Geiseln aufs Spiel zu setzen, die keine israelischen Staatsbürger sind.“
(Ha’aretz)
„Eine schier unglaubliche Aktion. Und genau das ist sie: nicht zu glauben. Ein derart spektakulärer Erfolg lässt nur den Schluss zu, dass das ganze Geiseldrama von A bis Z vom Mossad inszeniert war.“
(Guardian)
„Yonathan Netanyahu und Wilfried Böse – zwei Männer, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemein hatten, aber sich doch auf verblüffende Weise ähnelten: als fanatische Kämpfer für eine, wie sie glaubten, gerechte Sache. Es ist kein Zufall, dass sich ihre Wege schließlich kreuzten. Und dass sie beide in der gleichen Nacht den Tod fanden.“
(SZ-Magazin)
Böse (links), Netanyahu: Protagonisten der Gewalt im Nahen Osten.
„After Israeli Raid: 75-year-old Dora Bloch dies in Kampala Hospital“
(BBC)
Hier ist nix aus der Luft gegriffen. In der Tat verhielt es sich so: Linke Politiker sandten Solidaritätsbotschaften an den damaligen Präsidenten von Uganda, Idi Amin, in denen sie die „flagrante Verletzung der Souveränität Ugandas verurteilten“. In der Vollversammlung der Vereinten Nationen spielte sich ein groteskes Theater ab, in dem Israel zum Aggressor gestempelt wurde. Nur mit Mühe konnte eine formelle Verurteilung vereitelt werden. Und der französische Flugkapitän, der mitsamt seiner Crew bei den jüdischen Geiseln verblieben war und vor dem wir heute noch alle den Hut ziehen sollten (siehe SoE-Heldenpantheon in der Sidebar), bekam keinen Orden, sondern Schwierigkeiten mit seinem Arbeitgeber und wurde sogar zeitweilig vom Dienst suspendiert. Selbst die Verschwörungstheorie hat ein reales Vorbild. Die Wirklichkeit ist zuweilen absurder als es Satire je sein kann.
Letzte Nacht jährte sich die Befreiungsaktion von Entebbe zum 31. Mal. Viel hat sich seither verändert. Grund genug sich vorzustellen, wie die Medien heute reagieren würden, wenn die Operation Yonathan nicht 1976, sondern erst gestern Nacht gelaufen wäre.
Entebbe 2007 - eine internationale Presseschau
„Vorfälle wie der gestrige spielen nur den Hardlinern in die Hände, die ausschließlich auf die Macht der Faust setzen. Sicher, die israelische Regierung konnte die Entführung der Air-France-Maschine und die Geiselhaft ihrer Staatsbürger nicht tatenlos hinnehmen, aber mit der Entsendung eines Kommandos nach Uganda lief sie kopflos in die von der PFLP gestellte Falle. Gewalt und Gegengewalt – im Nahen Osten lernen die Konfliktparteien nicht dazu.“
(Thorsten Schmitz, Süddeutsche Zeitung)
Schweres israelisches Militärflugzeug in Entebbe: Verhältnismäßige Reaktion?
„Israelis töten sieben Palästinenser“
(ZDF-Videotext)
„Auge um Auge, Zahn um Zahn – mit brutaler Gewalt erzwang Israel die Befreiung der Passagiere. Und ging dabei buchstäblich über Leichen: drei Geiseln fanden den Tod. Die Verluste auf Seiten der Ugander und der Militanten betragen ein Vielfaches. Durch einen Gefangenenaustausch hätte das Blutvergießen verhindert werden können, aber der Regierung in Tel Aviv kam der Anlass gerade recht, um Stärke zu demonstrieren. Leidtragende sind nun auch die Republik Uganda und das Völkerrecht, das Israel durch den Einfall seines Kommandos mit Füßen trat.“
(taz)
Idi Amin (mit israelischem Fallschirmjägerabzeichen): Chancenlos gegen den Angriff der ehemaligen Freunde.
„Nun frohlockt das israelische Militär über den vermeintlichen Husarenstreich. Dabei sind sich Beobachter einig: Gegen die mit mehr als 100 Mann anstürmende Eliteeinheit der Invasoren hatte die vergleichsweise kleine Schar der Verteidiger des Terminals nicht den Hauch einer Chance.“
(stern)
„Gegen Mitternacht zerschlugen sich die letzten Hoffnungen auf ein unblutiges Ende des Geiseldramas. Einmal mehr siegte das alttestamentarische Racheprinzip über die Vernunft. Dabei hätte ein Einlenken Israels durch die Freilassung von einigen Dutzend Häftlingen und die Zahlung von 5 Millionen Dollar Lösegeld den Hardlinern in der PLO den Wind aus den Segeln genommen. Statt dessen wird die Vergeltung der militanten Palästinenser nur mehr eine Frage der Zeit sein. Die Gelegenheit zum Ausbruch aus dem Kreislauf der Gewalt ist mutwillig verspielt worden.“
(Frankfurter Rundschau)
Rückkehr der Geiseln nach Tel Aviv: Jubel mit fadem Beigeschmack in der israelischen Hauptstadt.
„Entebbe: Isrealische Spezialeinheit befreit 100 Passagiere aus Giselhaft.“
(N24-Laufband)
„Das unverantwortliche Verhalten der französischen Crew muss Konsequenzen haben. Michel Bacos und seine Kollegen haben die nichtjüdischen Passagiere schmählich im Stich gelassen.“
(Libération, Paris)
„Dennoch würde es zu weit führen, wenn man die von Herrn Böse initiierte Selektion der jüdischen von den nichtjüdischen Passagieren zum Anlass nähme, den Aktivisten der Revolutionären Zellen vorzuwerfen, sie seien die Kinder ihrer Eltern. Herr Böse, so unwahrscheinlich das auf den ersten Blick scheinen mag, meinte es gut. Auf diese Weise befreite der Deutsche mehr als hundert Passagiere aus einer sehr gefährlichen Situation. Sie dürften ihrem von den Israelis getöteten Retter zutiefst dankbar sein.“
(The Times, London)
„Zum zweiten Mal nach Sharons Überquerung des Suezkanals 1973 fielen israelische Truppen auf dem afrikanischen Kontinent ein. Der Judenstaat spielt mit dem Feuer – ohne Rücksicht auf den drohenden Flächenbrand. Der radikale Arm der Hamas-Partei, auf deren Bemühungen hin erst gestern der BBC-Journalist Alan Johnston nach monatelanger Geiselhaft freigelassen worden war, verkündete umgehend: „Die Pforten der Hölle haben sich geöffnet!“
(DER SPIEGEL)
„Die kaltblütige Tötung Wilfried Böses und Brigitte Kuhlmanns sowie ihrer palästinensischen Kampfgenossen ohne Gerichtsverfahren wirft ein bezeichnendes Licht auf den „Rechtsstaat Israel“, der sich soviel auf seinen Status als einzige Demokratie der Region zugute hält.“
(Neues Deutschland)
Bei dem Kommando-Angriff eingesetzter Mercedes: Perfide Taktik.
„Der israelische Militärschlag aus heiterem Himmel ist auch ein Schlag ins Gesicht all jener, die auf Deeskalation und eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts setzen.“
(WAZ)
„Die Operation der Armee in Entebbe war zweifellos ein Erfolg. Dennoch ist zu fragen, ob wir das Recht hatten, mit der Operation das Leben der 20 jüdischen Geiseln aufs Spiel zu setzen, die keine israelischen Staatsbürger sind.“
(Ha’aretz)
„Eine schier unglaubliche Aktion. Und genau das ist sie: nicht zu glauben. Ein derart spektakulärer Erfolg lässt nur den Schluss zu, dass das ganze Geiseldrama von A bis Z vom Mossad inszeniert war.“
(Guardian)
„Yonathan Netanyahu und Wilfried Böse – zwei Männer, die auf den ersten Blick nichts miteinander gemein hatten, aber sich doch auf verblüffende Weise ähnelten: als fanatische Kämpfer für eine, wie sie glaubten, gerechte Sache. Es ist kein Zufall, dass sich ihre Wege schließlich kreuzten. Und dass sie beide in der gleichen Nacht den Tod fanden.“
(SZ-Magazin)
Böse (links), Netanyahu: Protagonisten der Gewalt im Nahen Osten.
„After Israeli Raid: 75-year-old Dora Bloch dies in Kampala Hospital“
(BBC)
Hier ist nix aus der Luft gegriffen. In der Tat verhielt es sich so: Linke Politiker sandten Solidaritätsbotschaften an den damaligen Präsidenten von Uganda, Idi Amin, in denen sie die „flagrante Verletzung der Souveränität Ugandas verurteilten“. In der Vollversammlung der Vereinten Nationen spielte sich ein groteskes Theater ab, in dem Israel zum Aggressor gestempelt wurde. Nur mit Mühe konnte eine formelle Verurteilung vereitelt werden. Und der französische Flugkapitän, der mitsamt seiner Crew bei den jüdischen Geiseln verblieben war und vor dem wir heute noch alle den Hut ziehen sollten (siehe SoE-Heldenpantheon in der Sidebar), bekam keinen Orden, sondern Schwierigkeiten mit seinem Arbeitgeber und wurde sogar zeitweilig vom Dienst suspendiert. Selbst die Verschwörungstheorie hat ein reales Vorbild. Die Wirklichkeit ist zuweilen absurder als es Satire je sein kann.
16 Comments:
Ich bin sprachlos. Sehr fein beobachtet!
(Nachtrag: Der Link zu Michel Bacos in der "Heroes"-Liste verweist auf eine nicht mehr existente Seite)
@bernie
Danke für den Hinweis. Wird asap geändert.
Ja, stimmt alles, die Linke war seinerzeit empört und solidarisierte sich mit Idi Amin und gegen die Zionisten.
Heute ist es ja immer noch schlimm mit dem latenten Antiamerikanismus, der Anti-Israelstimmung, der Technikfeindlichkeit und der Meinungsführerschaft linker/grüner Dummies, aber vor dreissig Jahren wars noch wesentlich schlimmer.
Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern. Der Hammer war ja die Schadensersatzforderung der ugandischen Regierung für die Kollateralschäden. Eine Handvoll Männer befreite damals nicht nur die Geiseln, sondern zerstörte nebenbei noch den gesamten Stolz Ugandas...die Luftwaffe.
Das hat mir sehr gut gefallen. Es ist ja schon tragisch, das man Schlagzeilen wie "Israel droht mit Selbstverteidigung" kaum noch satirisch übertreffen kann ;D
lg, Leeza
Großartiger Artikel, Claudio
ich kann mich auch daran erinnern, wie die "Weltgemeinschaft" nach der Ausschaltung von Osirak zuerst Israel verurteilte und danach heilfroh darüber war, dass Israel den Job übernommen hatte.
Na ja...
Hier viele Infos zu Entebbe 1976:
Entebbe Raid, July 3-4, 1976. Including links to TV and Feature Film dramatizations
http://www.answers.com/topic/operation-entebbe
Gudrun
http://www.eussner.net
:-)
Sehr schön gemacht. Nur den Bezug zu Warschau hättet ihr euch sparen können.
Ansonsten: Super Blog, weiter so!
Ich wäre versucht, "brillante Satire" zu sagen, wenn nicht das der Satire wesenseigene Element der Übertreibung fast vollständig fehlen würde. Wie also dann? Brillante fiktionale Dokumentation.
Sehr guter Beitrag, diese Erinnerung muß lebendig bleiben.
Weiß eigentlich jemand noch konkrete Namen der deutschen Linken, die sich damals auf Seiten der Terroristen gestellt haben?
Absolut Genial - ganz genau so wäre es gestern in den Medien abgelaufen
"Weiß eigentlich jemand noch konkrete Namen der deutschen Linken, die sich damals auf Seiten der Terroristen gestellt haben?"
Ich war damals noch sehr jung und obwohl ich vermutlich der einzige Deutsche war, der mit fünf Jahren (1970) anfing den SPIEGEL zu lesen, kann ich leider keine genaueren Angaben machen.
Meiner Erinnerung nach waren fast alle Linke (SPD, Jusos etc.) gegen den israelischen Vortrag.
Eine Webrecherche ergab leider nicht viel, alles vor 1990 fällt bekanntlich der Vergessenheit anheim. ;)
Ich bin doch immer wieder erstaunt darüber, wie sich doch eigentlich intelligente Menschen zu solch populistischen und wiedersinnigen Aussagen hinreissen lassen können und sich damit in einer wichtigen Debatte jegliche Chance nehmen ernst genommen zu werden!!!!
Macht's euch mal nicht zu einfach:
http://www.taz.de/1/debatte/theorie/artikel/1/radikal-antijuedisch/?src=SE&cHash=b231e3b4c1
Soviel zum o-ton "absolut zutreffend" etc.
Israel hatte jedes Recht diese Aktion vorzunehmen.
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