taz muss nicht sein!
Gibt es eigentlich noch einen Islamwissenschaftler außer Raddatz, der sich eine gewisse kritische Distanz zum Gegenstand seiner Forschung bewahrt hat? Von Stephan Rosiny lässt sich das jedenfalls nicht sagen. Was der Mann im Interview mit der taz von sich gibt, schlägt, um es mit Heinz Erhardt zu sagen, dem Fass die Krone ins Gesicht.
Gefragt, ob die EU die Hamas zu Recht nach wie vor für eine terroristische Organisation hält, antwortet Rosiny zunächst mit dem Klassiker:
„Es gibt zu viele und widersprüchliche Definitionen für Terrorismus, um dies sinnvoll zu beantworten. Denn "des einen Terrorist ist des anderen Widerstandskämpfer".“
Weshalb Hitler das Attentat des Grafen Stauffenberg sicher nicht als Akt des legitimen Widerstands gegen sein Unrechtsregime begrüßt hat. Andererseits: Müssen wir diese Einschätzung für gleichberechtigt halten oder darf man noch unterscheiden zwischen Widerstand gegen das Nazi-Regime und Busbombenattentaten gegen die Zivilbevölkerung eines Nachbarlandes?
Ein glitschiges Terrain, deshalb wechselt Rosiny schnell das Thema:
„Für entscheidender halte ich die Frage, was mit dieser Klassifizierung bezweckt werden soll. Terroristen, so wird meist suggeriert, sind irrationale Fanatiker, die Gewalt um der Gewalt willen anwenden. Damit wird ihren - möglicherweise berechtigten - Forderungen jegliche Legitimität abgesprochen.“
Es könnte natürlich auch sein, dass es sich bei der Hamas um eine Gruppe rationaler Fanatiker handelt, die ihre – für Rosiny durchaus berechtigte – Forderung nach der Vernichtung des jüdischen Staates eben mit den Mitteln des Terrors zu realisieren versucht.
„Eine solche Ausgrenzung der Hamas aus dem politischen Prozess ist kontraproduktiv, da dies zu weiterem Autoritätsverfall in den Palästinensergebieten, zu Gewalt und islamistischer Radikalisierung führen wird.“
Als wäre es nicht gerade die Hamas, welche die „islamistische Radikalisierung“ seit Jahr und Tag schon selbst besorgt!
Aber die Charta der Hamas, so wagt der Interviewer einzuwerfen, ist durchtränkt von antisemitischen Stereotypen. Sollte die EU wirklich mit so einer Bewegung kooperieren? Eine heikle Frage für Rosiny, schließlich weiß er sehr wohl, was in der Charta der Terrorbande steht: dass die Juden für jeden Krieg und jedes Unheil der Geschichte verantwortlich waren und sind. Schön ist das nicht. Geradezu inakzeptabel. Wetten, er sagt „inakzeptabel“?
„Zahlreiche Formulierungen in der Hamas-Charta von 1988 sind inakzeptabel.“
Wer sagt’s denn?! Gut, dazu musste man kein Prophet sein.
„Sie spielt für das praktische Handeln der Hamas heute aber kaum mehr eine Rolle. Das Wahlprogramm von 2006 oder das Regierungsprogramm der Hamas sind deutlich gemäßigter.“
Ach ja?
Nächste Frage. Wenn dieses Nein der EU zur Hamas falsch ist - was soll die EU von der Hamas fordern?
„Ich halte es für einen Fehler, Forderungen nur an die eine Seite, die Palästinenser, zu richten. Die drei Bedingungen des Nahostquartetts an die Hamas, sie solle Israel anerkennen, auf Gewalt verzichten und die geschlossenen Verträge bestätigen, sollten in allgemeiner Form an beide Seiten gerichtet werden (…)“
Es ist zwar nicht bekannt, dass Israel die Palästinenser von der Landkarte zu radieren wünscht, aber eine Mörderbande und eine parlamentarische Demokratie gleichermaßen maßregeln zu wollen, die eine für ihren Terror – den Rosiny natürlich nicht so nennen würde – und die andere für ihre Gegenwehr, zeigt auf armselige Weise, wie weit wir gekommen sind: Alles eine Soße, Hamas und Staat Israel, Hitler und Gandhi – des einen Widerstandskämpfer ist des anderen Terrorist, nicht wahr?
Tja, und was ist nun mit dem Friedensprozess?
„Das Oslo-Abkommen von 1993 ist faktisch tot. Der für 1999 versprochene Palästinenserstaat existiert noch immer nicht, die Zahl der israelischen Siedler hat sich seitdem verdoppelt. Die Wohngebiete der Palästinenser in der Westbank sind durch Checkpoints, Siedlungen und die Sicherheitsmauer in einen Flickenteppich zerstückelt.“
Gar nicht so falsch. Rosiny hat nur vergessen, eine winzige Kleinigkeit zu erwähnen: den Terror eben solcher Gruppen wie Hamas. Zur Erinnerung: Der Deal lautete „Land für Frieden“. Wo waren Sie in den letzten 13 Jahren, Herr Rosiny?
„Bislang hat Israel ohne Verhandlungen und bedingungslos den Gazastreifen geräumt, was die Hamas als Sieg ihres bewaffneten Widerstands interpretiert. Die jahrelangen Verhandlungen der PLO mit Israel hätten dagegen nichts gebracht.“
Na, immerhin haben sie insofern was gebracht, als die Hamas jetzt über Tausende schwer bewaffnete Anhänger und ein Territorium verfügt, auf dem sie frei schalten und walten kann. Das hätt´s unter der Besatzung kaum gegeben. Die Hamas sollte nicht so undankbar sein, schließlich wäre sie ohne Arafats Oslo-Deal kaum dort, wo sie jetzt ist.
„Die Hamas hat bereits mehrfach einseitige Waffenstillstände ausgerufen…“
nur leider nicht gehalten,
„… und zuletzt Israel einen 50-jährigen Waffenstillstand angeboten.“
Auf den man dann so bauen darf wie auf die 20 gebrochenen zuvor. Aber selbst wenn: Die nächste Runde der Gewalt wäre doch programmiert, nur mit wesentlich günstigerer Ausgangsposition der Hamas, die über die komplette Westbank plus Gaza herrschen würde und bis dahin mit Panzern, Flugzeugen und Raketen mit größerer Reichweite versorgt wäre.
Ginge es nach Rosiny, dürfte man den Bock zum Gärtner und Hamas zur Hüterin eines verlässlichen, jedem Radikalismus abholden Staatswesens machen. Andere sind ja noch viel schlimmer:
„Schwieriger wird es sein, radikalere Gruppen wie al-Dschihad al-Islami mit ins Boot zu holen und ein Abgleiten von Frustrierten und Radikalen zu wirklich terroristischen Islamisten, etwa im Umfeld der al-Qaida, zu verhindern.“
Und zu den „wirklich terroristischen Islamisten“ wollen wir die Hamas ja nicht zählen, auch wenn sie ihren Brüdern im Geiste von der al-Qaida gleicht wie ein Bohlen-Hit dem anderen.
Nachdem Rosiny über die der „Hamas-Regierung illoyal gegenüberstehende(n) Sicherheitskräfte und Beamte der Fatah“ geklagt hat, soll er etwas zum nun auch offiziell wieder aufgedrehten Geldhahn sagen.
„Die Anteile der Steuer- und Zolleinnahmen, die Israel nun allein der Fatah-geführten Notstandsregierung überweist, standen ja eigentlich der Hamas-Regierung zu.“
Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund weigerte sich Israel, die widerlichsten Mörder seiner Bürger mit Geld zu versorgen.
„Die 250 Gefangenen - von insgesamt 10.000 -, deren Freilassung Olmert zusagte, sind allesamt Fatah-Mitglieder. Das könnte das negative Image der Fatah unter Palästinensern weiter stärken, korrupt und ein Büttel Israels zu sein.“
Damned if you do, damned if you don´t. Das ist einfach nicht fair gegenüber der Fatah. Da hat sie nun jahrelang alles gegeben, hat Siedlermütter und ihre Töchter im Auto erschossen, hat Liebespaare mit Äxten abgeschlachtet, hat sogar die Selbstmordattentate der Hamas perfekt imitiert – und muss sich dann noch Kollaboration mit dem Feind vorwerfen lassen. Die Welt ist schlecht.
Nur noch ein wenig Geduld, geneigter Leser, wir kommen langsam zum Ende des denkwürdigen Gesprächs. Wie sieht denn das negative Szenario der Spaltung aus?
„Israel und Ägypten könnten versuchen, die Hamas im Gazastreifen wirtschaftlich auszuhungern. Denn beide wollen keinen funktionierenden Hamas-Staat entstehen lassen, dessen Erfolge auch das Ansehen der Muslimbruderschaft in Ägypten stärken würde.“
Ein funktionierender, erfolgreicher Staat, geleitet von der Hamas – Nation-building at its best. Darauf muss man erst einmal kommen. Bis jetzt hat es ja nicht mal mit der Müllabfuhr geklappt. Wegen Israel und Ägypten, mutmaßlich.
„Aber wenn die Hamas durch einen Boykott geschwächt würde und nicht mehr als Ordnungsfaktor fungieren könnte, würde eine gefährliche Anarchisierung drohen."
Anarchie im Gazastreifen?! Undenkbar!
„Denn es gibt neben Hamas und Fatah weitaus gefährlichere Akteure. So haben sich Familienclans im Chaos der zerfallenden staatlichen Institutionen als substaatliche Akteure etabliert mit Milizen, kriminellen Wirtschaftsstrukturen und teilweise radikalislamistischen Parolen. Einer dieser Clans hielt den BBC-Reporter Alan Johnston vier Monate lang gefangen.“
Gefährlicher als Fatah und Hamas – das wird den Clan-Milizen runtergehen wie Öl. So langsam machen wir uns Sorgen um Stephan Rosiny. Hat der etwa was genommen?
„Die Hamas scheint momentan alles daranzusetzen, sich dem Westen und damit indirekt auch Israel als der eigentlich zuverlässigere Partner zu präsentieren. Die Freilassung von Johnston, den der Fatah-geführte Sicherheitsapparat zuvor nicht zustande gebracht hatte, kann sie als ersten Erfolg für sich verbuchen.“
Oj vavoj!
„Die Hamas hat heute auch in der wirtschaftlichen Mittelschicht und unter Intellektuellen viele Anhänger.“
Sogar unter deutschen Islamwissenschaftlern. Quod erat demonstrandum.
„Diese Klientel verlangt Sicherheit, Verlässlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung. Die israelische Besatzung, der internationale Boykott und die innerpalästinensischen Kämpfe haben die Wirtschaft geschwächt und die Gesellschaft verroht.“
Und nicht etwa die Glorifizierung von Massenmördern, öffentliche Hinrichtungen, Lynchmorde auf der Straße, Nachstellen von Bombenattentaten an der Uni, Abschiedsvideos von Suizidbombern, Aufrufe zum "Märtyrertum" im Kinderfernsehen oder hetzerische Reden in den Moscheen.
„Der Hamas gelingt es mit ihrem religiösen Weltbild und ihren rigiden Moralvorstellungen, den Menschen eine gewisse Verlässlichkeit zurückzubringen.“
Da ist was dran! Wir erinnern uns: Unter Hitler konnte eine deutsche Frau noch nachts auf die Straße gehen.
„Mit ihren Sicherheitskräften, sozialen Einrichtungen und ihrer Moralökonomie, in der Mitglieder und Sympathisanten bereit sind, für die "islamische Gemeinschaft" auch ehrenamtlich zu arbeiten, erzeugt sie eine Gemeinschaft.“
Kraft durch Freude, gewissermaßen.
„Damit wirkt sie dem Zerfall und der Radikalisierung der Gesellschaft entgegen.“
Noch einmal, zum Auf-der-Zunge-zergehen-lassen: Die Hamas wirkt der Radikalierung der Gesellschaft entgegen.
Also liegt es im Interesse der EU, die Hamas anzuerkennen?
„Ja, und durchaus auch im israelischen Interesse. Kluge Israelis, wie Avi Primor, sehen das ja auch so.“
Und ausgerechnet Rosiny entscheidet, wer die „klugen Israelis“ sind!
„Die Frage ist: Will man eine pragmatische oder eine ideologische Politik? Je mehr man den Islamisten realistische Chancen zu politischer Verantwortung gibt, desto gemäßigter und verlässlicher werden sie.“
Amen, liebe taz-Gemeinde. Glaubet, so werdet ihr selig, denn ich, der große Rosiny, habe die Weisheit mit Löffeln gefressen, anders als die dummen Israelis, die dummen Amerikaner und die dummen Europäer.
Und jetzt entschuldigt mich. Ich muss jetzt meine Tabletten nehmen, und danach fährt mich mein Pfleger in den Garten. So long, folks. Sollte ich längere Zeit weggesperrt werden, richten Sie ihre Anfragen bitte an Frau Helga Baumgarten, Bir-Zeit-Universität.
Gefragt, ob die EU die Hamas zu Recht nach wie vor für eine terroristische Organisation hält, antwortet Rosiny zunächst mit dem Klassiker:
„Es gibt zu viele und widersprüchliche Definitionen für Terrorismus, um dies sinnvoll zu beantworten. Denn "des einen Terrorist ist des anderen Widerstandskämpfer".“
Weshalb Hitler das Attentat des Grafen Stauffenberg sicher nicht als Akt des legitimen Widerstands gegen sein Unrechtsregime begrüßt hat. Andererseits: Müssen wir diese Einschätzung für gleichberechtigt halten oder darf man noch unterscheiden zwischen Widerstand gegen das Nazi-Regime und Busbombenattentaten gegen die Zivilbevölkerung eines Nachbarlandes?
Ein glitschiges Terrain, deshalb wechselt Rosiny schnell das Thema:
„Für entscheidender halte ich die Frage, was mit dieser Klassifizierung bezweckt werden soll. Terroristen, so wird meist suggeriert, sind irrationale Fanatiker, die Gewalt um der Gewalt willen anwenden. Damit wird ihren - möglicherweise berechtigten - Forderungen jegliche Legitimität abgesprochen.“
Es könnte natürlich auch sein, dass es sich bei der Hamas um eine Gruppe rationaler Fanatiker handelt, die ihre – für Rosiny durchaus berechtigte – Forderung nach der Vernichtung des jüdischen Staates eben mit den Mitteln des Terrors zu realisieren versucht.
„Eine solche Ausgrenzung der Hamas aus dem politischen Prozess ist kontraproduktiv, da dies zu weiterem Autoritätsverfall in den Palästinensergebieten, zu Gewalt und islamistischer Radikalisierung führen wird.“
Als wäre es nicht gerade die Hamas, welche die „islamistische Radikalisierung“ seit Jahr und Tag schon selbst besorgt!
Aber die Charta der Hamas, so wagt der Interviewer einzuwerfen, ist durchtränkt von antisemitischen Stereotypen. Sollte die EU wirklich mit so einer Bewegung kooperieren? Eine heikle Frage für Rosiny, schließlich weiß er sehr wohl, was in der Charta der Terrorbande steht: dass die Juden für jeden Krieg und jedes Unheil der Geschichte verantwortlich waren und sind. Schön ist das nicht. Geradezu inakzeptabel. Wetten, er sagt „inakzeptabel“?
„Zahlreiche Formulierungen in der Hamas-Charta von 1988 sind inakzeptabel.“
Wer sagt’s denn?! Gut, dazu musste man kein Prophet sein.
„Sie spielt für das praktische Handeln der Hamas heute aber kaum mehr eine Rolle. Das Wahlprogramm von 2006 oder das Regierungsprogramm der Hamas sind deutlich gemäßigter.“
Ach ja?
Nächste Frage. Wenn dieses Nein der EU zur Hamas falsch ist - was soll die EU von der Hamas fordern?
„Ich halte es für einen Fehler, Forderungen nur an die eine Seite, die Palästinenser, zu richten. Die drei Bedingungen des Nahostquartetts an die Hamas, sie solle Israel anerkennen, auf Gewalt verzichten und die geschlossenen Verträge bestätigen, sollten in allgemeiner Form an beide Seiten gerichtet werden (…)“
Es ist zwar nicht bekannt, dass Israel die Palästinenser von der Landkarte zu radieren wünscht, aber eine Mörderbande und eine parlamentarische Demokratie gleichermaßen maßregeln zu wollen, die eine für ihren Terror – den Rosiny natürlich nicht so nennen würde – und die andere für ihre Gegenwehr, zeigt auf armselige Weise, wie weit wir gekommen sind: Alles eine Soße, Hamas und Staat Israel, Hitler und Gandhi – des einen Widerstandskämpfer ist des anderen Terrorist, nicht wahr?
Tja, und was ist nun mit dem Friedensprozess?
„Das Oslo-Abkommen von 1993 ist faktisch tot. Der für 1999 versprochene Palästinenserstaat existiert noch immer nicht, die Zahl der israelischen Siedler hat sich seitdem verdoppelt. Die Wohngebiete der Palästinenser in der Westbank sind durch Checkpoints, Siedlungen und die Sicherheitsmauer in einen Flickenteppich zerstückelt.“
Gar nicht so falsch. Rosiny hat nur vergessen, eine winzige Kleinigkeit zu erwähnen: den Terror eben solcher Gruppen wie Hamas. Zur Erinnerung: Der Deal lautete „Land für Frieden“. Wo waren Sie in den letzten 13 Jahren, Herr Rosiny?
„Bislang hat Israel ohne Verhandlungen und bedingungslos den Gazastreifen geräumt, was die Hamas als Sieg ihres bewaffneten Widerstands interpretiert. Die jahrelangen Verhandlungen der PLO mit Israel hätten dagegen nichts gebracht.“
Na, immerhin haben sie insofern was gebracht, als die Hamas jetzt über Tausende schwer bewaffnete Anhänger und ein Territorium verfügt, auf dem sie frei schalten und walten kann. Das hätt´s unter der Besatzung kaum gegeben. Die Hamas sollte nicht so undankbar sein, schließlich wäre sie ohne Arafats Oslo-Deal kaum dort, wo sie jetzt ist.
„Die Hamas hat bereits mehrfach einseitige Waffenstillstände ausgerufen…“
nur leider nicht gehalten,
„… und zuletzt Israel einen 50-jährigen Waffenstillstand angeboten.“
Auf den man dann so bauen darf wie auf die 20 gebrochenen zuvor. Aber selbst wenn: Die nächste Runde der Gewalt wäre doch programmiert, nur mit wesentlich günstigerer Ausgangsposition der Hamas, die über die komplette Westbank plus Gaza herrschen würde und bis dahin mit Panzern, Flugzeugen und Raketen mit größerer Reichweite versorgt wäre.
Ginge es nach Rosiny, dürfte man den Bock zum Gärtner und Hamas zur Hüterin eines verlässlichen, jedem Radikalismus abholden Staatswesens machen. Andere sind ja noch viel schlimmer:
„Schwieriger wird es sein, radikalere Gruppen wie al-Dschihad al-Islami mit ins Boot zu holen und ein Abgleiten von Frustrierten und Radikalen zu wirklich terroristischen Islamisten, etwa im Umfeld der al-Qaida, zu verhindern.“
Und zu den „wirklich terroristischen Islamisten“ wollen wir die Hamas ja nicht zählen, auch wenn sie ihren Brüdern im Geiste von der al-Qaida gleicht wie ein Bohlen-Hit dem anderen.
Nachdem Rosiny über die der „Hamas-Regierung illoyal gegenüberstehende(n) Sicherheitskräfte und Beamte der Fatah“ geklagt hat, soll er etwas zum nun auch offiziell wieder aufgedrehten Geldhahn sagen.
„Die Anteile der Steuer- und Zolleinnahmen, die Israel nun allein der Fatah-geführten Notstandsregierung überweist, standen ja eigentlich der Hamas-Regierung zu.“
Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund weigerte sich Israel, die widerlichsten Mörder seiner Bürger mit Geld zu versorgen.
„Die 250 Gefangenen - von insgesamt 10.000 -, deren Freilassung Olmert zusagte, sind allesamt Fatah-Mitglieder. Das könnte das negative Image der Fatah unter Palästinensern weiter stärken, korrupt und ein Büttel Israels zu sein.“
Damned if you do, damned if you don´t. Das ist einfach nicht fair gegenüber der Fatah. Da hat sie nun jahrelang alles gegeben, hat Siedlermütter und ihre Töchter im Auto erschossen, hat Liebespaare mit Äxten abgeschlachtet, hat sogar die Selbstmordattentate der Hamas perfekt imitiert – und muss sich dann noch Kollaboration mit dem Feind vorwerfen lassen. Die Welt ist schlecht.
Nur noch ein wenig Geduld, geneigter Leser, wir kommen langsam zum Ende des denkwürdigen Gesprächs. Wie sieht denn das negative Szenario der Spaltung aus?
„Israel und Ägypten könnten versuchen, die Hamas im Gazastreifen wirtschaftlich auszuhungern. Denn beide wollen keinen funktionierenden Hamas-Staat entstehen lassen, dessen Erfolge auch das Ansehen der Muslimbruderschaft in Ägypten stärken würde.“
Ein funktionierender, erfolgreicher Staat, geleitet von der Hamas – Nation-building at its best. Darauf muss man erst einmal kommen. Bis jetzt hat es ja nicht mal mit der Müllabfuhr geklappt. Wegen Israel und Ägypten, mutmaßlich.
„Aber wenn die Hamas durch einen Boykott geschwächt würde und nicht mehr als Ordnungsfaktor fungieren könnte, würde eine gefährliche Anarchisierung drohen."
Anarchie im Gazastreifen?! Undenkbar!
„Denn es gibt neben Hamas und Fatah weitaus gefährlichere Akteure. So haben sich Familienclans im Chaos der zerfallenden staatlichen Institutionen als substaatliche Akteure etabliert mit Milizen, kriminellen Wirtschaftsstrukturen und teilweise radikalislamistischen Parolen. Einer dieser Clans hielt den BBC-Reporter Alan Johnston vier Monate lang gefangen.“
Gefährlicher als Fatah und Hamas – das wird den Clan-Milizen runtergehen wie Öl. So langsam machen wir uns Sorgen um Stephan Rosiny. Hat der etwa was genommen?
„Die Hamas scheint momentan alles daranzusetzen, sich dem Westen und damit indirekt auch Israel als der eigentlich zuverlässigere Partner zu präsentieren. Die Freilassung von Johnston, den der Fatah-geführte Sicherheitsapparat zuvor nicht zustande gebracht hatte, kann sie als ersten Erfolg für sich verbuchen.“
Oj vavoj!
„Die Hamas hat heute auch in der wirtschaftlichen Mittelschicht und unter Intellektuellen viele Anhänger.“
Sogar unter deutschen Islamwissenschaftlern. Quod erat demonstrandum.
„Diese Klientel verlangt Sicherheit, Verlässlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung. Die israelische Besatzung, der internationale Boykott und die innerpalästinensischen Kämpfe haben die Wirtschaft geschwächt und die Gesellschaft verroht.“
Und nicht etwa die Glorifizierung von Massenmördern, öffentliche Hinrichtungen, Lynchmorde auf der Straße, Nachstellen von Bombenattentaten an der Uni, Abschiedsvideos von Suizidbombern, Aufrufe zum "Märtyrertum" im Kinderfernsehen oder hetzerische Reden in den Moscheen.
„Der Hamas gelingt es mit ihrem religiösen Weltbild und ihren rigiden Moralvorstellungen, den Menschen eine gewisse Verlässlichkeit zurückzubringen.“
Da ist was dran! Wir erinnern uns: Unter Hitler konnte eine deutsche Frau noch nachts auf die Straße gehen.
„Mit ihren Sicherheitskräften, sozialen Einrichtungen und ihrer Moralökonomie, in der Mitglieder und Sympathisanten bereit sind, für die "islamische Gemeinschaft" auch ehrenamtlich zu arbeiten, erzeugt sie eine Gemeinschaft.“
Kraft durch Freude, gewissermaßen.
„Damit wirkt sie dem Zerfall und der Radikalisierung der Gesellschaft entgegen.“
Noch einmal, zum Auf-der-Zunge-zergehen-lassen: Die Hamas wirkt der Radikalierung der Gesellschaft entgegen.
Also liegt es im Interesse der EU, die Hamas anzuerkennen?
„Ja, und durchaus auch im israelischen Interesse. Kluge Israelis, wie Avi Primor, sehen das ja auch so.“
Und ausgerechnet Rosiny entscheidet, wer die „klugen Israelis“ sind!
„Die Frage ist: Will man eine pragmatische oder eine ideologische Politik? Je mehr man den Islamisten realistische Chancen zu politischer Verantwortung gibt, desto gemäßigter und verlässlicher werden sie.“
Amen, liebe taz-Gemeinde. Glaubet, so werdet ihr selig, denn ich, der große Rosiny, habe die Weisheit mit Löffeln gefressen, anders als die dummen Israelis, die dummen Amerikaner und die dummen Europäer.
Und jetzt entschuldigt mich. Ich muss jetzt meine Tabletten nehmen, und danach fährt mich mein Pfleger in den Garten. So long, folks. Sollte ich längere Zeit weggesperrt werden, richten Sie ihre Anfragen bitte an Frau Helga Baumgarten, Bir-Zeit-Universität.
5 Comments:
Man könnte Hr.Rosiny durchaus als Hamas-Anhänger verstehen, etliche Texte aus seiner Feder geben dazu Anlass:
http://www.google.de/search?q=%22Stephan+Rosiny%22&hl=de&pwst=1&start=20&sa=N
ein höchst interessanter Kommentar bei der Gegenstimme: ein Leser meinte dort, Rosiny sei nach seiner Kenntnis ein Islam-Konvertit, allerdings mehr zur Hisbollah-Fraktion zählend. Rosiny sei jetzt Schiit ...
Bin ja ein SoE Fan :-)
Was mich an dem - wie üblich glänzend geschriebenen - Kommentar allerdings ärgert:
Zur Bebilderung von Dummheit, ja Idiotie, wird wieder einmal auf das Bild eines "Behinderten" (Pfleger, Pillen, in den Garten SCHIEBEN) rekurriert.
Dies ist üblich so. Ist es deswegen richtig? Auf diese Weise wird wieder einmal mehr das Bild des "Behinderten" als dumm, ja idiotisch, als Pflegefall, zu schiebenden, unnützen Pseudo-Menschen verfestigt (so wie mit der Minderweritgkeits-Anspielung in einem der letzten Artikel übrigens).
Der Krüppel als Bild für Erkenntnisresistenz? Naja, mindestens fragwürdig - wenn nicht sogar sprachbehindert.
Zitat: "ein Leser meinte dort, Rosiny sei nach seiner Kenntnis ein Islam-Konvertit, allerdings mehr zur Hisbollah-Fraktion zählend. Rosiny sei jetzt Schiit ..."
und ihr regt euch über verschwörungstheorien auf....
@ anonymous
Sie haben recht. Man sollte Herrn Rosiny nicht mit Geisteskranken vergleichen. Ich entschuldige mich in aller Form bei den Geisteskranken.
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