Wednesday, May 23, 2007

Hü! Oder, nein: hott, äh: hü…

Er kann es einfach nicht. Er kann keinen Kommentar schreiben, in dem er sich nicht selbst mindestens ein Dutzend Mal widerspricht. Warum zum Henker darf einer wie Thorsten Schmitz eigentlich Leitartikel für eine der größten deutschen überregionalen Tageszeitungen schreiben?

Ein Musterbeispiel liefert die SZ von heute. Schmitz greift in seinem Statement die gute Idee auf, die Palästinenser zumindest zeitweise zu entmündigen. Er sehnt sich nach „Paten“. Zwar brauchen die Palästinenser vor allem einen Vormund, der ihnen mal ordentlich die Ohren langzieht und sie, wenn es sein muss, ohne Abendbrot ins Bett steckt, aber was soll’s: Hören wir, was uns Schmitz zu den Raketen auf Sderot, Eliminierung von Terroristen und – yawn! – zur „Gewaltfalle“ zu sagen hat:

„Israel und die Palästinenser sitzen in der Gewaltfalle. Als Ausweg wird derzeit eine temporäre Fremdregierung der Palästinenser durch Jordanien und Ägypten diskutiert: Die Lösung hätte zumindest einen Vorteil.

Israel und die Palästinenser sind Gefangene ihrer selbst. Jede palästinensische Kurzstreckenrakete zieht einen israelischen Luftangriff nach sich, jede israelische Militäraktion palästinensischen Terror.“

Der erste Denkfehler: Schmidt sagt selbst, dass es die Raketen sind, deretwegen Luftangriffe geflogen werden müssen. Es bedarf also nicht der israelischen Reaktion, um die Hamas zum Qassam-Beschuss zu motivieren. Der Terror liegt in der Ideologie der Täter begründet und ist von Israels Tun oder Lassen völlig unabhängig.

„Die Zahl der Toten steigt, flankiert wird die Gewalt mit Drohungen.“

Dass die Zahl der Toten nicht abnimmt, dürfte auch jedem klar sein. Und was ist so falsch an Drohungen? Will die Hamas ihre Anführer aus der Schusslinie bringen, muss sie nur den Terror gegen den israelischen Grenzort Sderot stoppen. Die Drohung ist also eher ein Versuch der Deeskalation; das müsste Schmitz doch eigentlich zusagen.

„Die palästinensische Hamas will mehr und weiter reichende Raketen abfeuern, Israel auch Hamas-Führer Chaled Meschaal liquidieren."

Die einen feuern auf Zivilisten in einer Ortschaft, die anderen nehmen den Rädelsführer der Terroristen ins Fadenkreuz – vom moralischen Standpunkt aus betrachtet ein klarer Punktsieg für Israel.

„Ein Blick zurück in die jüngere Vergangenheit aber beweist, dass Gewalt immer nur Gegengewalt erzeugt.“

So kann man Notwehr natürlich auch nennen: „Gegengewalt“. Was passieren kann, wenn man auf diese verzichtet, lässt sich in Yad VaShem sehr anschaulich erfahren. Aber möglicherweise hätte Schmitz auch dort kein Aha-Erlebnis, sondern schüttelte nur den Kopf über die "Gegengewalt" im Warschauer Ghetto.

Statt von Gegengewalt zu faseln, müsste Schmitz die Frage stellen: Wer beginnt mit der Gewalt und trägt damit die Verantwortung für die Kämpfe? Dass Zurückhaltung einen entschlossenen Aggressor auch nicht von seinem Tun abhält, ist, anders als die Behauptung von Thorsten Schmitz, bewiesen - siehe oben. Der Korrespondent blickt nun zur Abwechslung wieder für einen Moment den Tatsachen ins Auge:

„Andererseits kann Israel schlecht mit der Hamas verhandeln, denn die möchte Israel loswerden.“

Nicht „loswerden“ – vernichten. Aber immerhin: Schmitz gibt zu, dass es mit Hamas nichts zu bereden gibt.

„Seit die Hamas die Autonomiebehörde führt, ist ein Palästinenserstaat in noch weitere Ferne gerückt.“

Donnerwetter! Wer hätte das gedacht?

„In diesen blutigen Tagen erinnert man sich an einen Bericht der New York Times.
Das Blatt hatte nach dem Wahlsieg der Islamisten berichtet, Washington wolle die Hamas-Regierung austrocknen, um Neuwahlen zu erzwingen. Diese Langzeitplanung wird nun ausgerechnet von Israel zunichte gemacht. Denn jeder Schlag gegen die Hamas und den Islamischen Dschihad stärkt die radikalen Gruppen. Deren Existenzgrundlage sind die israelischen Armee-Operationen. Sie halten sie am Leben.“

Nein, die Existenzgrundlage der Hamas ist ihr "Dschihad", ihr Kampf gegen die Israelis und nicht die Gegenwehr derselben. Die Offensiven der israelischen Armee gäbe es ohne den palästinensischen Terror ja auch gar nicht. Und sie halten die Hamas auch nicht am Leben, sondern das Gegenteil ist der Fall, wie die Verlustzahlen der vergangenen Tage beweisen. Der Entschluss, den Aggressor in die Defensive zu drängen, ist nicht nur militärisch sinnvoll, er ist auch für jeden denkenden Menschen nachvollziehbar. Irgendwie sogar für den Leitartikler:

„Selbstverständlich kann sich Israel den Beschuss mit Kurzstreckenraketen nicht gefallen lassen.“

Ach, jetzt wieder nicht?!

„Die Geschosse landen darüber hinaus nicht im Westjordanland, das von Israel seit genau 40 Jahren besetzt wird und mit rund 150 jüdischen Siedlungen gespickt ist.“

Womit allerdings die Einrichtung der Palästinensischen Autonomie, mit der der ganze Schlamassel erst richtig begann, unterschlagen wird. Aber wir wollen den SZ-Leser ja auch nicht überfordern.

„Die Raketen landen auf israelischem Hoheitsgebiet, mitten in der Kleinstadt Sderot und in der Negev-Wüste. Es geht den palästinensischen Terroristen nicht darum, mit den Kassam-Raketen die Besatzung zu beenden. Sie wollen die israelische Armee provozieren und letztlich Israel von der Landkarte löschen.“

Genau das ist der Punkt. Schmitz kommt aber nicht zu einer klaren Linie. Einerseits weiß er, dass Hamas auf ewigen Krieg aus ist und dass Israel gar nicht anders kann als seine Bürger zu schützen, andererseits darf er es so nicht sagen, denn dann wäre klar, wer die Verantwortung für die Gewalt trägt: Hamas, die von den Palästinensern mehrheitlich gewählte Terrororganisation. Und dann landete das wacklige Weltbild von den „beiden Seiten“, die sich einfach nicht einigen können, auf dem Müllhaufen, wo es eigentlich hingehört.

Deshalb muss Schmitz jetzt das Steuer einmal mehr herumdrehen und wieder auf die Geisterfahrerspur wechseln:

„Und Israel - das heißt, die durch den vernichtenden Untersuchungsbericht zum Libanon-Krieg geschwächte Regierung von Premier Ehud Olmert - tappt in die Falle der Hamas.“

Wie denn nun? Eben noch sagt er, Israel könne nicht anders, als sich zu wehren, jetzt geht es auf einmal wieder dem Gegner auf dem Leim, der irgendwie ganz scharf darauf sein soll, wieder was auf die Mütze zu bekommen. Kürzlich gab die Hamas-Führung die Parole aus, keine Mobiltelefone mehr zu benutzen, aus lauter Angst, von Israel geortet und liquidiert zu werden. Und das soll die Hamas ernsthaft wollen oder wie stellt sich das der kleine Moritz vor?

„Diese bestimmt die Agenda im Nahost-Konflikt. Die Hamas feuert Raketen ab, terrorisiert eine ganze Kleinstadt, und Israel reagiert nur.“

Und das ist, meint Schmitz wohl, auch wieder verkehrt. Aber wenn die Reaktion falsch ist, welche Aktion wäre dann wohl für Schmitz denkbar und auch akzeptabel? Das sagt er leider nicht. Dafür weicht er mal eben vom Thema ab:

„Die Hamas hat Präsident Machmud Abbas das Zepter aus der Hand genommen, er ist eine Marionette der Radikalen.“

Nun ja, von Anfang an.

„Die arabischen Staaten haben den Friedensplan von 2005 reaktiviert, Israel aber bleibt bis heute ein konkretes Angebot schuldig.“

Das „konkrete Angebot“ Israels lag schon 2000 vor, die Antwort der PA ist bekannt. Was der arabische „Friedensplan“ vorsieht – bestenfalls die Maximalforderung nach 100 Prozent Westbank plus Jerusalem als Hauptstadt – ist aber für Israel nicht akzeptabel. Man müsste in Jerusalem ja mit dem Klammerbeutel gepudert sein, würde man ernsthaft erwägen, sich die Hamas in die Altstadt zu holen. Dann schlagen die Qassams zuerst in den hübschen Häuschen unterhalb des King David Hotels ein.

„Es ist auch ein trauriger Sieg der Hamas, dass US-Außenministerin Condoleezza Rice jüngst eine geplante Visite absagte. Europäische Regierungsmitglieder fliegen noch zu Krisengesprächen in die Region - und verlassen den Schauplatz stets ratlos. Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, der als Vertreter Deutschlands und der EU mit Abstand am eifrigsten darum bemüht ist, eine Eskalation im Nahost-Konflikt zu vermeiden, musste nach seiner (wievielten?) Reise kürzlich unverrichteter Dinge wieder abreisen. “

Und wir hatten alle gedacht, er würde den Nahost-Konflikt lösen! Hm. Vielleicht hat Steinmeier zu viele Leitartikel in deutschen Tageszeitungen gelesen statt einmal gründlich das Programm der Hamas zu studieren. Sonst hätte er die Erfolgschancen seiner Mission realistischer eingeschätzt.

„Um sein politisches Überleben zu sichern oder bis zum Libanon-Abschlussbericht im Sommer hinauszuzögern, muss Olmert die Armee aufmarschieren lassen. Das israelische Volk verlangt Härte gegenüber palästinensischem Terrorismus. Es sieht sich bedroht.“

Nein. Es IST bedroht, du Pappnase! Angesichts der Raketeneinschläge in Sderot und im südlichen Ashqelon von gefühlter Bedrohung zu sprechen, ist nun wirklich haarsträubend. Wenn jemand die Familie von Thorsten Schmitz aufs Korn nimmt, einen Sohn entführt, das Haus beschießt, die Oma killt und ihm jeden Tag einen Zettel in den Briefkasten steckt mit dem Versprechen, ihn bei nächster Gelegenheit platt zu machen, und sollte ihn ein Arbeitskollege ungläubig anschauen und sagen: „Ach, Sie sehen sich bedroht, Herr Schmitz, echt jetzt?“ – dann möchte man sein Gesicht sehen.

„Dass Härte bislang noch nie geholfen hat, ist eine Einsicht, die ein starker Regierungschef vermitteln könnte. Olmert kann das nicht. Er ist ein Premier auf Abruf.“

Dass Schwäche je geholfen hätte, kann man nun auch nicht gerade behaupten, gerade vom Nahen Osten nicht. Aber dass Stärke mitunter enorm helfen kann, dafür ist Israels Existenz und insbesondere seine gegenwärtige Verfassung der beste Beweis. Nur dank seiner Armee und der Arbeit seiner Geheimdienste ist die Zahl der Selbstmordattentate auf fast Null zurückgegangen, und nur deshalb kann sich auch Thorsten Schmitz deutlich unbesorgter als noch vor fünf Jahren in ein Straßencafé setzen.

Was Israel alles unterlassen sollte, ist ja hinlänglich bekannt: so gut wie alles, vom Bau des Sicherheitszaunes über die Präsenz an den Checkpoints bis zu militärischen Operationen aller Art, selbst wenn sie sich gezielt gegen die Terroristen richten. Was aber soll Israel tun?

„Auch die diversen Friedenspläne werden nichts fruchten, solange Israel es mit einer Palästinenserregierung zu tun hat, die Raketenabwürfe und Selbstmordattentate sanktioniert.“

Na also. "Sanktioniert" übrigens im Sinne von "bestätigt, billigt, gutheißt, begrüßt". Sanktionierung kann ja mitunter auch Bestrafung bedeuten. Aber ganz so deutlich mag Schmitz die Wahrheit nicht sagen.

„Der arabische Friedensplan wird ebenso verstauben wie der Fahrplan des Nahost-Quartetts, weil die Hauptakteure nicht miteinander reden können und in Terror und Militär-Operation das Allheilmittel sehen.“

Na, wenn die Diplomatie am Ende ist, muss es im Krieg das Militär richten, so ist das nun mal. Es geht nicht um ein „Allheilmittel“ sondern um maximale Sicherheit für Bürger, die täglichem Raketenbeschuss ausgesetzt sind.

„Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die Palästinenser dem Sprichwort alle Ehre machen, dass sie nie eine Gelegenheit verpassen, eine Gelegenheit zu verpassen. Unter Jassir Arafats jahrelanger Regentschaft sind sie einem Staat ebenso wenig näher gekommen wie unter der Ägide der Hamas. Als Opfer der israelischen Besatzung genießen die Palästinenser zwar weltweit Mitleid. Mit ihrem Terror aber entlarvt sich die Hamas. Sie braucht die Besatzung für die eigene Existenz.“

Anmerkung: Hamas sieht das ganze Land als besetztes Gebiet an, von Rosh HaNikra bis Eilat. Es hülfe Israel also nichts, Judäa und Samaria zu räumen. Im Gegenteil.

„In jüngster Zeit kursiert, 40 Jahre nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967, in der Region die Idee, die Palästinenser sollten das Regieren wieder den einstigen Machthabern Ägypten und Jordanien überlassen. Amman und Kairo sollten die Palästinenser erneut unter ihre Fittiche nehmen…“

Vulgo: die Herrschaft über sie übernehmen, denn was war die ägyptische Herrschaft über Gaza und die jordanische über die Westbank anderes als Besatzung?

„… sie einem Schnellkurs in Staatenbildung unterziehen und solange die Grenzen zu Israel kontrollieren. Der Vorteil dieser Patenschaften wäre, dass Ägypten und Jordanien über Friedensabkommen mit Israel verfügen. Sie könnten im Namen der Palästinenser die Verhandlungen über einen endgültigen Status führen und gleichzeitig den Versuch wagen, ihre arabischen Brüder vom Terror abzuhalten.“

Na dann: viel Erfolg!

„Tatsächlich könnte eine temporäre jordanische Hoheit im Westjordanland und eine ägyptische im Gazastreifen die Chance dafür bieten, dass sich alle Beteiligten konstruktiv auf die Zwei-Staaten-Lösung konzentrieren - anstatt auf Rache und Vergeltung.“

„Rache und Vergeltung“ – das musste nun wieder sein. Ohne geht es einfach nicht. Eben noch stellt Schmitz klar, dass es der Terror der Hamas ist, der einer friedlichen Lösung im Wege steht (notabene: der Terror der Fatah bleibt unerwähnt), dass Israel reagieren muss und ebenso, dass es keine Lösung auf dem Verhandlungswege geben kann, weil Hamas auf der Auslöschung Israels besteht – und jetzt ist der Kampf gegen die Terroristen wieder nicht in Ordnung, sondern wird als billige und natürlich verdammenswerte „Rache“ bezeichnet und delegitimiert.

Einerseits und andererseits und eigentlich aber doch, wobei. Danke, Thorsten Schmitz in Jerusalem!

3 Comments:

Blogger msh said...

Der Artikel war mir auch schon unangenehm aufgefallen. Die Idee mit der jordanischen bzw ägyptischen Vormundschaft ist an sich keine Schlechte, nur werden Mubarak und Abdallah aus gutem Grunde einen Teufel tun und sich diese Chaoten als "Adoptivkinder" aufhalsen!

5:37 PM  
Anonymous Anonymous said...

Habe den Artikel in der SZ nur gelesen weil die zeitweise Entmündigung der Palästinenser eine beachtenswerte Idee darstellt. Palästinenser sind Araber, da kann ein "Heim ins Reich", sei es Jordanien oder Ägypten, von mir aus auch Syrien, gar nicht so schlecht sein.

Ausser dieser Idee liefert der Artikel leider typischen SZ-Relativismus, unethisch zwar, aber damit um so leichter einer ausgezeichneten Textexegese zuzuführen.

6:44 PM  
Anonymous Anonymous said...

@ MSH
Sie haben Recht. Wieso sollten sich Ägypten und Jordanien das antun, die Palästinensergebiete zu besetzen? Jordanien kann eine Destabilisierung überhaupt nicht gebrauchen und Ägypten hat innenpolitisch genug Probleme. Wir sehen gerade im Libanon wieder, was es für Probleme geben kann, wenn man Palästinenser auf seinem Staatsgebiet duldet und regelmäßig radikale Kräfte einsickern. Irgendwann verlieren auch die arabischen Vermittler die Lust, den 127. Waffenstillstand auszuhandeln (und schon mal als Vermittler über den Haufen geschossen zu werden).

8:33 AM  

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