Tuesday, June 12, 2007

Ausschussarbeit

So ist das mit jungen Demokratien: An das Procedere muss man sich erst gewöhnen. Die palästinensische Vorzeigedemokratie krankt u.a. noch daran, dass die politischen Aktivisten der beiden größten Terrorbanden, äh, Parteien, die ja auch eine Regierung der nationalen Einheit bilden, unter Ausschussarbeit zuallererst verstehen, dass man Meinungsverschiedenheiten ausschießt. Die hitzigen Diskussionen haben seit Mitte Mai mehr als 80 Beteiligte nicht überlebt.

Ein Abstimmungsmarathon hier, stundenlanges Palaver dort, zwischendurch eine tricky eingefädelte Intrige – das kann öde sein und wenig bringen. Das ist die Sache von Fatach und Hamas nicht, dort werden Differenzen auf orientalische Art und Weise geregelt: Fatach-Funktionär Dschamal Abu al-Dschedijan wird aus seinem Haus gezerrt und von sage und schreibe 45 Kugeln perforiert, Mohammed Sweirki von der Leibwache Abu Mazens wird gekidnappt und vom Dach eines 15-stöckigen Gebäudes gestoßen, wieder andere werden im Zimmer eines Krankenhauses erschossen. Die "moderate" Fatach antwortet mit einem Granatenangriff auf das Haus des, höhö, demokratisch gewählten Regierungschefs Hanyeh. Dieselbe Erbarmungslosigkeit, die sie bei Terroranschlägen in Israel immer wieder an den Tag gelegt haben, demonstrieren sie jetzt im brutalen Kampf untereinander. Seit gestern gab es 17 Tote, aber die Empörung spart man sich in Europa für den Tag auf, an dem Palästinenser von Israelis getötet werden. Vorher sind sie ihren falschen Freunden Wurst.

Zwei Tage ist es her, da sah ich am Hamburger Jungfernstieg Dutzende dieser Heuchler stehen. Sie hatten sich jeweils ein Plakat mit einem Buchstaben um den Hals gehängt und wie an einer Schnur aufgereiht. Zu lesen war: "BEENDET DIE ISRAELISCHE BESATZUNG". Hamburger wie Touristen zogen es allerdings vor, shoppen zu gehen oder ein Eis zu essen. Wie gern hätte ich den Hut herumgehen lassen, um den Demonstranten Flugtickets spendieren zu können! Eine Reise ins demokratische Palästina würde ihnen sicher die Augen öffnen. Wir verlangen ja gar nicht, dass sie sich in Gaza als menschliche Schutzschilde anbieten, es reicht, wenn sie sich die "Anhänger der Fatah und der Hamas", die "rivalisierenden Gruppen", den "innerpalästinensischen Konflikt" aus der Nähe anschauen. Nie wieder werden sie sich für solche Typen ins Zeug legen, soviel ist sicher. Sondern schamhaft schweigen. Und nächstes mal selbst shoppen gehen oder ein Eis essen. Ist für alle besser so.

4 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Eben bei SPON gelesen:

> Die beiden palästinensischen
> Fraktionen, die nominell
> gemeinsam die Regierung
> stellen, bekämpfen einander
> seit Monaten. Immer wieder
> brachen Kämpfe aus, jedes
> Mal einigte man sich danach
> auf einen Waffenstillstand.

PS:

Die URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,488082,00.html

und

Die Artikel von Yassin Musharbash gefallen mir immer besser.

3:42 PM  
Anonymous Anonymous said...

Guter Webverweis!

Das sind wirklich arme Schweine.
:(

4:30 PM  
Anonymous Anonymous said...

>>Wie gern hätte ich den Hut herumgehen lassen, um den Demonstranten Flugtickets spendieren zu können! Eine Reise ins demokratische Palästina würde ihnen sicher die Augen öffnen.<<

Lieber nicht. Sonst kommt da noch jemand auf die Idee, die Kassam-Kasse ein bisschen zu polstern und die Besucher erstmal dazubehalten. Und der Steinmeier müsste mal wieder einem Beamten einen Koffer mit ein paar Millionen Dollar in kleinen Scheinen mitgeben, damit wir unsere Friedensfreunde wiederkriegen.

1:45 AM  
Anonymous Anonymous said...

Die hitzigen Diskussionen haben seit Mitte Mai mehr als 80 Beteiligte nicht überlebt.

Das sind etwa so viel wie beim "Völkermord" von Jenin, als Terroristen sich einen Schusswechsel mit der IDF lieferten.

Damals rückten die Amnesty- und andere "Völkerrechtskolonnen" nach, um einen "Genozid" zu attestieren.

Mhmmm...

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HonestReporting deutsch
Bernd

3:07 AM  

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