Schon wieder die SZ
Ganz ehrlich: Seit Heiko Flottau im Frühjahr 2002 in der Süddeutschen Zeitung "Leichengeruch" über Jenin schnupperte, von einer "vollständigen Zerstörung der Stadt" sprach, wo es sich um einen planierten, vorher vom islamischen Jihad verminten Häuserblock im Zentrum des Slum-Viertels neben Jenin handelte und ein "Massaker" wähnte, wo in Wahrheit einige Dutzend Terroristen und Soldaten in mörderischen Häuserkämpfen umkamen, habe ich von diesem Herrn keine Zeile mehr gelesen.
Bis heute. In der SZ von gestern behauptet er: "Die Vertreibung der Palästinenser wird immer noch geleugnet". Was gleich in zweifacher Hinsicht falsch ist, denn zum einen ist die Massenflucht der palästinensischen Araber im Krieg 1948/49 in Israel schon lange ein Thema, während in den Palästinenergebieten keine Diskussion darüber stattfindet, ob man in einem eigenen Staat unter Umständen auch Juden dulden könnte - von einer Diskussion über die Berechtigung, israelische Zivilisten zu ermorden, ganz zu schweigen - und zum anderen hatte diese Massenflucht verschiedene Ursachen.
Erstens: Es ergingen tatsächlich arabische (!) Aufrufe an die arabische Bevölkerung, das Kampfgebiet zu verlassen.
Zweitens: Das Gros der arabischen Einwohner flüchtete aus Angst, so wie es in jedem Krieg geschieht; außerdem fürchteten sie, dass die Juden mit ihnen dasselbe anstellen würden was sie selbst mit den Juden vorhatten.
Drittens: In einigen Fällen wurden palästinensische Araber mit Waffengewalt vertrieben.
Dass die Führung des Yishuv keinen gesteigerten Wert darauf legte, in einem umkämpften Land, in dem hier eine jüdische Siedlung lag und dort eine arabische Ortschaft, eine feindlich gesonnene Bevölkerung zu beherbergen, dürfte einleuchten. Umgekehrt massakrierten die Araber dort, wo sie siegreich waren – etwa im Etzion-Block – die jüdischen Einwohner oder - wie in Jerusalem - vertrieb sie. Darüber verliert Heiko Flottau, der sich in seinem Artikel auf den Linksaußen Ilan Pappe stützt, natürlich kein Wort, ebenso wenig wie über die Tatsache, dass mehr als hunderttausend Araber im Lande blieben: Ihre Zahl beträgt heute 1,4 Millionen (Anteil an der israelischen Gesamtbevölkerung: 20 Prozent; bis 2025 werden sie nach Schätzungen ein Drittel stellen).
Wirklich ärgerlich ist allerdings die Schlusspassage: "Die Tragik der jüdisch-arabischen Beziehungen besteht auch im Leugnen jener grundlegenden historischen Fakten, die mit zur Gründung Israels geführt haben. Das offizielle Israel leugnet die Vertreibung von 800.000 Palästinensern. Ein Großteil der Araber dagegen will nicht wahrhaben, dass es den Holocaust mit sechs Millionen toten Juden tatsächlich gegeben hat (Anm.: was sie aber nicht davon abhält, Hitler für die Vernichtung der Juden zu preisen, ein logischer Flic-Flac, wie er im arabischen Raum nicht selten ist; CC). Solange sich nicht beide Seiten der Geschichte stellen, wird es keinen wahren Frieden in Palästina geben."
Da haben wir es wieder: In guter (?) alter SZ-Tradition tragen wieder alle Seiten die gleiche Schuld. Als wäre das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge in Israel nie thematisiert worden. Als hätte Sobol nie "Die Palästinenserin" auf die Bühne gebracht. Als wäre nie "Tkuma" im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt worden. Als würden nicht zahlreiche Lieder israelischer Musiker vom Leid der Palästinenser erzählen usw.
Eines sollte sich Heiko Flottau hinter die Ohren schreiben: Brächten die Palästinenser nur einen Bruchteil der Empathie für die Juden auf wie es umgekehrt der Fall ist, dann, und nur dann, wäre Frieden denkbar. Wenn der erste palästinensische Dramaturg das Stück "Die Israeli" in Ramallah inszeniert, der erste Filmbeitrag über das Leid israelischer Terroropfer im palästinensischen Fernsehen läuft. Don't hold your breath.
Bis heute. In der SZ von gestern behauptet er: "Die Vertreibung der Palästinenser wird immer noch geleugnet". Was gleich in zweifacher Hinsicht falsch ist, denn zum einen ist die Massenflucht der palästinensischen Araber im Krieg 1948/49 in Israel schon lange ein Thema, während in den Palästinenergebieten keine Diskussion darüber stattfindet, ob man in einem eigenen Staat unter Umständen auch Juden dulden könnte - von einer Diskussion über die Berechtigung, israelische Zivilisten zu ermorden, ganz zu schweigen - und zum anderen hatte diese Massenflucht verschiedene Ursachen.
Erstens: Es ergingen tatsächlich arabische (!) Aufrufe an die arabische Bevölkerung, das Kampfgebiet zu verlassen.
Zweitens: Das Gros der arabischen Einwohner flüchtete aus Angst, so wie es in jedem Krieg geschieht; außerdem fürchteten sie, dass die Juden mit ihnen dasselbe anstellen würden was sie selbst mit den Juden vorhatten.
Drittens: In einigen Fällen wurden palästinensische Araber mit Waffengewalt vertrieben.
Dass die Führung des Yishuv keinen gesteigerten Wert darauf legte, in einem umkämpften Land, in dem hier eine jüdische Siedlung lag und dort eine arabische Ortschaft, eine feindlich gesonnene Bevölkerung zu beherbergen, dürfte einleuchten. Umgekehrt massakrierten die Araber dort, wo sie siegreich waren – etwa im Etzion-Block – die jüdischen Einwohner oder - wie in Jerusalem - vertrieb sie. Darüber verliert Heiko Flottau, der sich in seinem Artikel auf den Linksaußen Ilan Pappe stützt, natürlich kein Wort, ebenso wenig wie über die Tatsache, dass mehr als hunderttausend Araber im Lande blieben: Ihre Zahl beträgt heute 1,4 Millionen (Anteil an der israelischen Gesamtbevölkerung: 20 Prozent; bis 2025 werden sie nach Schätzungen ein Drittel stellen).
Wirklich ärgerlich ist allerdings die Schlusspassage: "Die Tragik der jüdisch-arabischen Beziehungen besteht auch im Leugnen jener grundlegenden historischen Fakten, die mit zur Gründung Israels geführt haben. Das offizielle Israel leugnet die Vertreibung von 800.000 Palästinensern. Ein Großteil der Araber dagegen will nicht wahrhaben, dass es den Holocaust mit sechs Millionen toten Juden tatsächlich gegeben hat (Anm.: was sie aber nicht davon abhält, Hitler für die Vernichtung der Juden zu preisen, ein logischer Flic-Flac, wie er im arabischen Raum nicht selten ist; CC). Solange sich nicht beide Seiten der Geschichte stellen, wird es keinen wahren Frieden in Palästina geben."
Da haben wir es wieder: In guter (?) alter SZ-Tradition tragen wieder alle Seiten die gleiche Schuld. Als wäre das Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge in Israel nie thematisiert worden. Als hätte Sobol nie "Die Palästinenserin" auf die Bühne gebracht. Als wäre nie "Tkuma" im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt worden. Als würden nicht zahlreiche Lieder israelischer Musiker vom Leid der Palästinenser erzählen usw.
Eines sollte sich Heiko Flottau hinter die Ohren schreiben: Brächten die Palästinenser nur einen Bruchteil der Empathie für die Juden auf wie es umgekehrt der Fall ist, dann, und nur dann, wäre Frieden denkbar. Wenn der erste palästinensische Dramaturg das Stück "Die Israeli" in Ramallah inszeniert, der erste Filmbeitrag über das Leid israelischer Terroropfer im palästinensischen Fernsehen läuft. Don't hold your breath.
5 Comments:
oeh, koenntest du da meiner sehr rudimentaeren kenntnis israelischer musik mit titeln aushelfen, was die lieder angeht.
klingt naemlich interessant.
Zu den Musikern, die sich in ihren Texten kritisch mit der israelischen Politik in den Gebieten auseinander setz(t)en, gehören u.a. Shlomo Artzi, Shalom Hanoch, Nurit Galron und Si Hi-man.
Die SZ hätte ja auch in einem Nebensatz erwähnen können, daß auch hunderttausende Juden aus arabischen Ländern vertrieben wurden. Aber in dieser Hinsicht sind Spekulationen über Entschädigungen oder ein Rückkehrrecht eh illusorisch...
@ cc:
danke, fuer die tipps
Wie die Araber zum Holocaust stehen ist eigentlich weniger relevant.
Da waren sie ja nicht beteiligt.
Aber ob sie mal die EIGENE Vergangenheit, incl. eben die Vertreibung der Juden, mal anerkennen und kritisch reflektieren - das wäre mal interessant.
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