Monday, August 21, 2006

Jetzt mal ein wenig Medienschelte

Dieter Bohlen hält sich für einen modernen Mozart, Marius-Müller-Westernhagen hält sich für einen Rocker und Sheich Hassan Nasrallah hält sich für einen Sieger. Das ist ihr gutes Recht. Merkwürdig ist nur, dass sie mit ihrem Selbstverständnis nicht allein stehen. So wird der Hisbollah-Führer derzeit in der arabischen Welt als Held gefeiert und genießt „Kult-Status“. Man könnte gewissermaßen sagen: Notorische Loser feiern einen Loser als Gewinner.

In der westlichen Welt sieht man diese Verwechslungskomödie zumeist mit dem gebotenen Abstand, auch wenn im Fall der vermeintlichen Demütigung der israelischen Armee durch die Hisbollah der Wunsch gern der Vater des Gedankens sein darf. Tomas Avenarius schwant in der Süddeutschen Zeitung, dass der vermeintliche Sieger Nasrallah sich nur in seinem Bunker in Siegerpose werfen kann, denn sobald er wieder frische Luft schnuppert, könnte ihn das Schicksal schneller ereilen als man denkt. Es hat schon andere „charismatische Führer“ gegeben, die dank einer Hellfire-Rakete zur rechten Zeit am rechten Ort vorzeitig ins Paradies befördert wurden. Sheich Yassin und sein Nachfolger Rantisi lassen grüßen.

Laut Avenarius „vergleichen ihn die einen mit dem Ägypter Gamal Abd al-Nasser, die anderen mit dem iranischen Revolutionär Khomeini. Manche denken gar an Sultan Saladdin, den Bezwinger der Kreuzfahrer.“ In der Realität muss man vor Ort allerdings mit weit weniger beeindruckenden Gestalten vorlieb nehmen. Würde man die arabischen Massen nach dem Grundsatz „Zeige mir dein Idol und ich sage dir, wer du bist“ beurteilen, ließe sich nur schwerlich um den Schluss herumkommen, dass es um den Zustand der Region nicht eben zum Besten bestellt ist.

Wie in den Nahost-Kommentaren der Süddeutschen Zeitung üblich, wird der Ist-Zustand zunächst recht nüchtern geschildert, um dann bei den Schlussfolgerungen tief ins Klo zu greifen.
Avenarius: „Die Hisbollah steht für die Befreiung der Schebaa-Farmen. Und die Miliz Nasrallahs bezieht ihre Legitimation aus der Tatsache, dass noch immer israelische Soldaten auf libanesischem Territorium stehen.“

Das wirft ja nun schon mal Fragen auf: Wie kann die Hisbollah für die „Befreiung“ der Shebaa-Farmen stehen, wenn das Gebiet nach wie vor von Israel kontrolliert wird? Müsste es nicht heißen, dass die Libanesen ihre Hoffnungen auf „Befreiung“ des 28 qkm großen Gebiets mit seinen 14 Bauernhöfen auf Hisbollah setzen? Und was hat Hisbollah mit den Schebaa-Farmen am Hut, wenn diese doch nicht zu libanesischem Territorium gehören, sondern zu Syrien, weshalb Israel mit Assad über das Fleckchen Erde zu verhandeln hat?

Und dann wüsste man natürlich gern, wie der nachfolgende Satz gemeint ist. Macht sich der Kommentator die Ansicht der Hisbollah zu eigen, dass die Schebaa-Farmen zum Libanon gehören, obwohl die UN festgestellt hat, dass sich Israel im Mai 2000 von jedem Quadratzentimeter libanesischen Bodens zurückgezogen hat? Oder will er dies mit der Behauptung, „dass noch immer israelische Soldaten auf libanesischem Territorium stehen“, bestreiten? Die aktuelle Besetzung des Südlibanon kann nicht gemeint sein, denn dass die IDF seit über sechs Jahren nicht mehr dort präsent war, ist ja unbestritten.

Avenarius erliegt der weit verbreiteten Versuchung, unbewiesene Behauptungen für bare Münze zu nehmen. So heißt es in seinem Kommentar: „Auch wenn viele nicht-schiitische Libanesen Hisbollah jetzt heftig kritisieren nach diesem kostspieligen Krieg: In den Augen der meisten Sunniten, Drusen und Christen heißt der Aggressor Israel.“

Davon abgesehen, dass es mehr als fraglich ist, ob Nicht-Schiiten etwas für Nasrallahs Gotteskrieger“ übrig haben: Die Libanesen kritisieren also Hisbollah, weil die einen Krieg zu verantworten hat, der dem Land Leid und Zerstörung brachte, halten aber dennoch den Zurückschlagenden für den Angreifer? Das muss arabische Logik sein, die sich Mitteleuropäern gewöhnlich verschließt. Aber das ficht Avenarius nicht an:
„Nasrallah wird von ihnen nicht geliebt. Aber er wird respektiert als Kämpfer gegen diesen Feind von außen.“ Mit anderen Worten: Nasrallah bricht einen Krieg von Zaun, aber er kämpft immerhin gegen einen „Feind“, der ohne den von ihm gelieferten casus belli gar keiner wäre. Das soll einer verstehen. Immerhin dem SZ-Mitarbeiter gelingt es:
„Die Logik von der Verteidigung gegen Israel und von der Befreiung besetzter libanesischer Gebiete verschafft Nasrallah Gewicht.“ – und das, obwohl man sich nicht gegen Israel hätte „verteidigen müssen“, wenn man auf Ermordung und Verschleppung von Soldaten und auf den Raketenbeschuss über die internationale Grenze hinweg verzichtet hätte – und obwohl keinerlei libanesisches Gebiet „befreit“ wurde – schon weil keines besetzt ist. Im Gegenteil: Tatsache ist, dass die IDF jetzt den Südlibanon bis auf weiteres kontrolliert, bevor eine internationale Truppe eintrifft. Was die Libanesen freuen dürfte, ist das Einrücken der regulären libanesischen Armee in den durch die israelische Operation von der Hisbollah weitgehend gesäuberten Süden. Das hätte man allerdings auch ohne Krieg haben können.

Den traurigen Schlusspunkt des SZ-Kommentars setzt die traditionelle Empfehlung an, klar, Israel in bester Appeasement-Manier nach Art des Hauses:

„Israel könnte die Dynamik um Nasrallah bremsen, wenn es über die Schebaa-Farmen verhandeln würde. Dann könnte Nasrallah neutralisiert werden als gefährliche pan-islamische Symbolfigur und Bedrohung Israels. Dann würde der neue Held rasch zu dem reduziert, was er sein sollte und sein kann: ein schiitischer Politiker im arabischen Staat Libanon.“

Als wäre die Untauglichkeit des Prinzips „Land für Frieden“ nicht schon seit Jahren hinreichend bewiesen. Als würde Nasrallah, sollte Israel die Schebaa-Farmen an Libanon (!) abtreten, nicht erst recht als Sieger und Befreier gefeiert werden. Als würde ein weiterer Rückzug Israels in der arabischen Welt nicht als weiterer Beleg dafür aufgefasst, dass das Land langsam in die Knie geht. Aber es ist schon klar, was uns der Autor suggerieren will: Nasrallah ist irgendwie ein gefährlicher Bursche, um den sich zurzeit die ganze ewig gedemütigte arabische Nation schart. Eine Zeitbombe, die, natürlich, nur der jüdische Staat entschärfen kann, der ja angeblich den Schlüssel zum Frieden in der Hand hält, auch wenn er für jeden Rückzug und für jeden Kompromiss nur noch mehr Hass, Verachtung und Terror erntet. Das könnte auch Avenarius wissen. Es steht sogar zu vermuten, dass er es weiß. Dennoch spielt er die alte Leier, damit eines klar ist: Wenn die Araber uns Ärger machen, ist der Jude dran schuld. Noch Fragen?

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